Zur Geschichte der deutschen Sprache
Eine
kurze Einführung in die Geschichte der deutschen Sprache und
einige
Erläuterungen zu gewissen sprachwissenschaftlichen
Begriffen
bezüglich dieser Sprache.
von Jürgen Weigle
Der Aufsatz hat neun Kapitel:
1. |
6. |
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2. |
7. |
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3. |
8. |
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4. |
9. |
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5. |
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1. Sprachepochen
Grundsätzlich wird die deutsche Schriftsprache in vier Epochen eingeteilt, nämlich
1. Althochdeutsch |
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700 bis 1050 |
2. Mittelhochdeutsch |
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1050 bis 1350 |
3. Frühneuhochdeutsch |
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1350 bis 1650 |
4. Neuhochdeutsch |
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1650 bis Gegenwart |
Die Datierungen sind jedoch nicht exakt. Somit hat die erste Datierung ihren Grund darin, daß man bisher keine Dokumente in deutscher Sprache älteren Datums gefunden hat. Ferner sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Epochen fließend und strecken sich in der Regel über bis zu zwei Generationen.
Auch das Neuhochdeutsche hat sich verändert, so wie alle lebenden Sprachen sich ständig verändern. Es ist jedoch faszinierend, Cervantes "Don Quixote von la Mancha" in einer deutschen Übersetzung von Ludwig Tieck aus dem Jahr 1799 oder ein Essay von Heinrich Heine aus dem Jahr 1837 zu lesen und dabei zu entdecken, wie wenig die Sprache sich verändert hat. Wenn man von dem banalen Zeitungsdeutsch der deutsche Boulevardpresse absieht.
2. Historische Sprachräume
Es gibt eine imaginäre Grenze in Deutschland, die so genannte "Benrather Linie", die sich von Aachen im Westen über Düsseldorf, Kassel, Magdeburg bis nach Frankfurt an der Oder im Osten erstreckt. Die Sprachen südlich dieser Grenze gehören zum hochdeutschen Sprachraum und die Sprachen nördlich davon zum niederdeutschen Sprachraum.
Weiter südlich gibt es noch eine Grenze, die sich von Straßburg über Speyer, Heidelberg, Eisenach und Erfurt nach Osten streckt. Die Dialekte in dem Gebiet zwischen der Benrather Linie und dieser südlichen Linie werden Mitteldeutsch genannt und die südlich davon Oberdeutsch. Die Unterschiede zwischen Nieder-, Mittel- und Oberdeutsch können wie folgt veranschaulicht werden:
Niederdeutsch: |
ik |
/ maken |
/ Dorp |
/ dat |
/ Appel |
/ Pund |
Mitteldeutsch: |
ich |
/ machen |
/ Dorf |
/ das |
/ Appel |
/ Pund |
Oberdeutsch: |
ich |
/ machen |
/ Dorf |
/ das |
/ Apfel |
/ Pfund |
Um das Ganze jedoch zu komplizieren, sagt man in gewissen mitteldeutschen Mundarten dat an Stelle von das und Fund an Stelle von Pund.
Die mitteldeutschen Mundarten werden jedoch sprachwissenschaftlich zu dem hochdeutschen Sprachraum gezählt.
Die Karte zeigte die Grenzen Deutschlands von 1937 sowie die deutschen Sprachräume zu jener Zeit. Diese veränderten sich danach zwei Mal radikal. Das Baltendeutsche wurde in Estland und Lettland durch den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 und der darauffolgenden Besetzung des Baltikums durch die Sowjetunion völlig ausgetilgt. 1945 wurde Nieder- und Hochdeutsch völlig in den Gebieten östlich der Oder-Neisse-Grenze ausgetilgt, als diese Regionen bei der Potsdamer Konferenz unter polnische beziehungsweise sowjetische Verwaltung gestellt wurden, was im Prinzip dazu führte, daß alle Deutschsprachigen (zwischen 12 und 15 Millionen Menschen) aus diesen Gebieten vertrieben wurden, in erster Linie in das heutige Deutschland.
Wenn man von gewissen ländlichen Gebieten absieht, spricht man heute in ganz Deutschland hochdeutsch, was unter anderem eine der Folgen der brutalen Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neisse-Grenze ist.
3. Hochdeutsch
Unter Hochdeutsch versteht man verschiedenes:
die deutsche Standardsprache, als Synonym zu Neuhochdeutsch
den übergeordneten, geographischen Begriff für die Mundarten südlich der Benrather Linie
den übergeordneten Begriff für die hochdeutsche Sprache zeitlich von Althochdeutsch bis Neuhochdeutsch
Unter Hochdeutsch als Standardsprache versteht man die offizielle deutsche Schriftsprache in ganz Deutschland, Österreich, Luxemburg und Liechtenstein sowie in Teilen der Schweiz, Belgiens (Eupen), Italiens (Tirol) und Frankreichs (Elsaß). Jedoch können lokale Abweichungen im Wortschatz vorkommen (so z.B. im Schweizer Schriftdeutsch).
Um zu beleuchten, wie wenig das Neuhochdeutsche sich während der letzten dreihundert Jahre verändert hat, sind im Kapitel 8 vier Textproben aus den Jahren 1686, 1798, 1888 und 1988 beigefügt.
Unter Hochdeutsch versteht man auch die deutsche Bühnensprache, d.h. die Aussprache (Sprachlautung), die dem Geschriebenen so ähnlich wie möglich ist. Jedoch kann der Akzent gebietlich von einander abweichen aufgrund der Influenz regionaler Mundarten.
Die hochdeutschen Mundarten können eingeteilt werden in
Mitteldeutsch:
Westmitteldeutsch (Moselfränkisch, Rheinfränkisch usw)
Ostmitteldeutsch (Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen usw)
Ostfränkisch und Südfränkisch (Gebiet zwischen Mitteldeutsch und Oberdeutsch; wird oft zum Oberdeutschen gerechnet)
Oberdeutsch:
Alemannisch (Baden, Elsass, Schweiz)
Schwäbisch (Württemberg)
Schweizerdeutsch (Schweiz)
Bairisch (Bayern)
Österreichisch (Österrike)
Prager Deutsch (Böhmen-Mähren)
Alemannisch wurde von den schweizerischen Wiedertäufern, den Schweizer Brüdern, über das Elsaß nach USA verbreitet und dort zum Amish Hochdeutsch, das ausschließlich in der Kirche und bei formellen Zeremonien verwendet wird, bzw. zum Pennsylvania Dutch (Dutch = Deutsch), welches die Umgangssprache in der Familie und unter Gleichgesinnten ist. Mit der Umwelt sprechen und schreiben die Amish people Englisch.
Amish Hochdeutsch stützt sich auf eine Version von Luthers Bibelübersetzung ins Neuhochdeutsche.
Bezüglich des Hochdeutschen als übergeordneter geschichtlicher Begriff bitte Kapitel 1 lesen.
4. Niederdeutsch
Niederdeutsch ist die Bezeichnung für eine Familie germanischer Sprachen, die nördlich der s.g. Benrather Linie entstanden. Diese Mundarten ähneln dem Englischen, dem Friesischen und den skandinavischen Sprachen, besonders grammatisch. So hat Niederdeutsch nur zwei Geschlechter (geschlechtlich und sächlich) sowie drei Fälle (3. Und 4. Fall sind gleich).
Niederdeutsch kann eingeteilt werden in
Niederfränkisch (Holland, Belgien, Deutschland, Frankreich)
Plattdeutsch oder Plattdütsch (u.a. Holstein, Pommern)
Niedersächsisch
Westniedersächsisch (Deutschland, Holland, Dänemark)
Ostniederdeutsch (Pommern, West- & Ostpreussen)
Plautdietsch (Gebiete um Danzig herum)
Afrikaans (Südafrika, Namibia)
Plautdietsch, welches ein Form des Plattdeutschen ist, wurde von den Mennoniten u.a. über Russland nach USA verbreitet (siehe auch Artikel "Über Mennoniten").
5. Baltendeutsch
Die Epochen des Baltendeutschen weichen etwas von dem obenstehenden ab und bedürfen deshalb ein eigenes Kapitel. Dessen Verbreitung ist auf Estland, Livland und Kurland, d.h. das jetzige Estland und Lettland, beschränkt. So schreibt u.a. die estnische Sowjetenzyklopädie: "Niederdeutsch war bis zum 17. Jahrhundert die offizielle Sprache in den estnischen Gebieten und hatte starken Einfluß auf das Estnische hinsichtlich sowohl des Vokabulars wie auch der Grammatik" (Zitat und Übersetzung: Jaak Peetre).
Niederdeutsch war Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts vorherrschend in den Küstengebieten um die Ostsee einschließlich des Baltikum. 1143 wurde Lübeck gegründet. Ende des 12. Jahrhunderts zogen deutsche Kaufleute nach Visby, welche knapp zwei Generationen später so großen Einfluß hatten, daß die Stadtrechte Visbys Anfang des 13. Jahrhunderts auf Niederdeutsch geschrieben wurden, was wahrscheinlich dazu führte, daß König Magnus Eriksson im 14. Jahrhundert befahl, daß die Visby Stadtrechte sowohl auf gotländisch wie auf deutsch geschrieben werden mußten. 1201 wurde Riga von Albert von Buxhövede gegründet, der später der Stadt das Stadtrecht Visbys gab. 1218 wurde Rostock gegründet, 1224 Danzig und 1229 Wismar. Narva wurde 1223 eine Niederlassung der Hansa, Dorpat 1224 und Reval 1230. Überall war die offizielle Sprache, die die Oberschicht sprach, niederdeutsch. Im großen Ganzen ohne nennenswerten Einschlag von Lehnworten der Sprachen der Ursprungsbevölkerung.
Einige Forscher (u.a. Dr Ineta Polanska und Prof Dr Hermann Scheuringer) geben an, daß das Niederdeutsche im Baltikum während des 16. Und 17. Jahrhunderts in eine Form Oberdeutsch überging, besonders innerhalb der Oberschicht. Es gibt jedoch Dokumente, die zeigen, daß Niederdeutsch weitaus später angewandt wurde: "... wil denn de, dar se gesocht werden, vor dem hakenrichter das beschweren, ... so schal he sin vollenkommen recht darvon don." (1760; Quelle: DEUTSCHES RECHTSWÖRTERBUCH). Ähnliche "Überlappungen" kamen jedoch auch in anderen deutschen Sprachgebieten vor, meistens jedoch mündlich.
Obwohl Baltendeutsch eine Minoritätssprache war, war dessen gesellschaftliche Stellung so stark, daß es als offizielle Sprache beibehalten wurde, als diese Gebiete nach dem Großen Nordischen Krieg unter russische Oberhoheit kamen (siehe unten die Gerichtsakte von 1719).
Der größte Teil der Übernahme von Lehnwörtern aus dem Lettischen (90% von etwa 500 Wörtern) geschah im 17. Jahrhundert oder später (siehe Dr Polanska). Einige Lehnwörter waren rein lettisch (z.B. Miselbeere von Lettisch mizene = Blaubeere); andere hatten russischen Ursprung und kamen über das Lettische (z.B. Pastel oder Passel von Lettisch pastala, ev von Russisch = Bauernschuh); Andere wiederum kamen aus dem Litauischen (z.B. Ljurbe von Lettisch lurba von Litauisch liurbas = Taugenichts; vergleiche mit Lorbas auf Missingsch, das den gleichen Ursprung hat).
Schließlich gibt es im Baltendeutschen Wörter, die aus dem Estnischen (Finnisch-Ugrischen) kommen: z.B. Wackenbuch = ursprünglich ein Verzeichnis der Liegenschaften eines Hofes (eine Art Grundbuch), das gleichzeitig die Unterlage für die Steuerveranlagung war, später (im 18. Jht. und 19. Jht.) ausserdem das Verzeichnis der Leibeigenen auf einem Gut oder aber der Hofleute (Angestellten) sowie der Instleute (Tagelöhner) und deren Scharwerke auf einem Hof; ferner Kubjas = Inspektor, Verwalter. Es kommen auch estnische (finnisch-ugrische) Wörter mit russischem Ursprung vor wie Obser = Hufe und Pogost = Gebiet, Dorf, Hof.
Umgekehrt hat wahrscheinlich auch das Estnische und das Lettische eine bedeutende Anzahl von Lehnwörtern vom Baltendeutschen übernommen, was jedoch nicht Gegenstand dieses Aufsatzes ist.
Außer Baltendeutsch hat man zwei weitere Sprachgruppen definiert: Halbdeutsch und Kleindeutsch. Beide müssen als Pidgin (Mischsprachen) angesehen werden. Außer den Sprachepochen und Sprachräumen werden somit auch die sozialen Schichten in sprachlicher Hinsicht abgegrenzt. Hochdeutsch wurde von der Oberschicht gesprochen: Adel, Gutsherren, reichen Kaufleuten, Geistlichen und Gelehrten; Halbdeutsch wurde von einer Mittelschicht von Esten, Letten und Deutschen gesprochen: Gutsverwalter, Krüger, Müller, Kanzlisten, deutschem Gesinde und anderen Mitgliedern dieser sozialen Schicht; Kleindeutsch sprachen vor allem einfache deutsche Handwerker, die von ihren estnischen und lettischen Kollegen nicht als Außenseiter aufgefaßt werden wollten (zu vergleichen mit Rinkebyschwedisch, d.h. daß schwedische Jugendliche mit ihren eingewanderten Gleichaltrigen Rinkebyschwedisch, einem schwedischen Pidgin, sprechen, um damit ihre Gruppenzugehörigkeit zu bestätigen). Baltisches Halbdeutsch war keine Schriftsprache, wurde jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts in einigen Gedichtsammlungen bewahrt.
Für Ahnenforscher und andere Interessierte gibt es auf dieser Webseite ein baltdeutsch-estnisch-schwedisches Wörterverzeichnis. In der Zukunft wäre es wünschenswert, falls ein estnischer Forscher dieses Verzeichnis weiterentwickeln könnte mit Hinweisen auf den Ursprung der Lehnwörter. Z.B.: Estnisch aadlik und Schwedisch adlig von Niederdeutsch adlig von Niederdeutsch Adel oder Estnisch arst von Neuhochdeutsch Arzt von Mittelhochdeutsch arzet von Latein archiater = Schwedisch läkare (vermutlich einem Lehnwort aus dem Keltischen).
6. Etwas über "Missingsch"
Missingsch ist vermutlich die Mundart, die am wenigsten bekannt ist, obwohl viele es sicher schon gehört haben bei einem Besuch in Hamburg oder einem Gespräch mit einem alten Danziger. Es gibt sowohl ein Hamburger wie auch ein Danziger Missingsch sowie andere.
Missingsch ist ganz einfach eine Mischung von Hoch- und Plattdeutsch oder aber, könnte man sagen, der mißglückte Versuch eines Hamburgers oder eines Danzigers Hochdeutsch zu sprechen. Sollte man sie/ihn darauf aufmerksam machen, würde sie/er sicher antworten: "Quatsch! Ich snack doch Hochdeutsch."
Das Danziger Missingsch ist außerdem vermischt mit "verdeutschten" Ausdrücken aus dem Niederländischen, dem Jiddischen, dem Litauischen und Polnischen, der ostpreußischen Mundart und reinem Slang. Eine begrenzte Auswahl von Wörtern ist im Kapitel 8 aufgezeichnet.
Missingsch kommt nicht von Mischung, sondern ist genau Missingsch.
Missingsch ist die niederdeutsche Form von Meißnisch/Meißnerisch, womit die Schriftsprache gemeint ist, auf welche die Kanzlisten der verschiedenen Fürsten- und Königshäuser in Deutschland sich einigten, als diese und deren Herrscher offensichtlich des Lateins als gemeinsame Sprache der Kommunikation unter sich müde waren. Diese Schriftsprache wurde Meißner Kanzleisprache oder auch Meißner Kanzleistil genannt. Das bekannteste Buch in Meißner Kanzleisprache ist sicher die Bibelübersetzung von Luther, die den Durchbruch zu einer einheitlichen deutschen Schriftsprache ausmachte.
Etwas vereinfacht besteht Missingsch aus hoch- und niederdeutschen Wörtern, während die Grammatik überwiegend niederdeutsch ist.
Missingsch ist jedoch keine einheitliche Mundart, sondern Danziger Missingsch unterscheidet sich vom Hamburger dito vom Kieler dito, wobei der Sprecher sich oft gar nicht bewußt ist, daß sie/er Missingsch spricht.
7. Etwas über das Gotische
Das Gotische starb zum größten Teil mit dem Untergang des gotischen Reiches im 6. Jahrhundert aus. Es überlebte jedoch auf der Krim unter den Ostgoten bis zum 17. Jahrhundert und lebt zum Teil noch heute im Gutamål auf der Insel Gotland weiter.
Viele Wörter in den germanischen Sprachen stammen jedoch vom Gotischen. So wie das Wort Deutsch, über welches Meyers Konversations-Lexikon von 1888 folgendes aussagt:
"Deutsch (got: thiudisk, althochd: diutisc, mittelhochd: diutsch, altsächs: thiudisc, niederd: dudesk, niederländ: duitsch, schwed: tysk, dän: tydsk) stammt von dem gotischen Substantiv thiuda (althochd. diota, "Volk") ab und bedeutet daher ursprünglich volkstümlich, dem Volk angehörig, teils im Gegensatz zu dem, was bei einzelnen Stämmen vorkommt, teils zu dem Fremden, Ausländischen (zunächst Lateinischen und Welschen), so in Bezug auf Sitte, Leute etc., namentlich aber auf die Sprache. Im 10. Jahrhundert, als die deutschen Herzogtümer und Völker zu einem Reich vereinigt blieben, wurde dann das altdeutsche diutisc (latinisiert theodiscus) zum Volksnamen. Lange schwankte die Schreibweise zwischen deutsch und teutsch, das besonders im 17. Jahrhundert im Gebrauch war; die ältere und nach Grimm allein richtige ist jedoch deutsch. Vgl. I. Grimm, Exkurs über Germanisch und D., in der "Deutschen Grammatik" (Bd. 1)."
Derjenige, der sein Gotisch verbessern will, sollte die Silberbibel studieren, die sich bekanntlich in Uppsala befindet.
8. Einige Sprachbeispiele
Die Übersetzungen ins Neuhochdeutsche stehen neben dem Originaltext.
GOTISCH
Gotisches
"Vater unser"
Quelle: Textproben, Codex Argenteus;
(frühes 6. Jahrhundert)
Atta unsar, thu in himinam, weihnai namo thein. Qimai thiudinassus theins. Wairthai wilja theins, swe in himina jah ana airthai. Hlaif unsarana thana sinteinan gif uns himma daga. Jah aflet uns thatei skulans sijaima, swaswe jah weis afletam thaim skulam unsaraim. Jah ni briggais uns in fraistubnjai, ak lausei uns af thamma ubilin. Unte theina ist thiudangardi jah mahts jah wul?us in aiwins. |
|
Vater unser, du im Himmel, geweiht dein Name. Komme dein Volksreich. Werde dein Wille, so wie im Himmel auch auf der Erde. Unseren Laib, den täglichen, gib uns heute. Auch vergib uns, dass wir Schuldner seien, so wie auch wir vergeben unseren Schuldnern. Und bringe uns nicht in Versuchung, aber löse und von dem Übel. Denn dein ist das Königreich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewig. |
ALTHOCHDEUTSCH
Alemannisches
"Vater unser"
Källa: Quelle: Textproben, Handschrift
aus St. Gallen; (8. Jahrhundert)
Fater unsêr, thû pist in himile, uuîhi namun dînan, qhueme rîhhi dîn, uuerde uuillo diin, sô in himile sôsa in erdu. Prooth unsêr emezzihic kip uns hiutu, oblâz uns sculdi unsêro, sô uuir oblâzêm uns sculdîkêm, enti ni unsih firleiti in khorunka, ûzzer lôsi unsih fona ubile. |
|
Vater unser, du bist im Himmel, weihe deinen Namen, komme dein Reich, werde dein Wille, wie im Himmel, so auch auf Erden. Unser regelmässiges Brot gib uns heute, erlasse uns unsere Schuld, wie wir erlassen unseren Schuldnern, und verleite uns nicht in Versuchung, löse uns von dem Übel. |
MITTELHOCHDEUTSCH
Gedicht
"Unter der linden"
Quelle: Textproben, Walther von der
Vogelweide; (zirka 1200)
Ich
saz ûf eime steine |
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Ich
sass auf einem Steine |
FRÜHNEUHOCHDEUTSCH
Aus
"Sendbrief vom Dolmetschen"
Quelle: Textproben, Martin
Luther; (zirka 1530)
Als wenn Christus spricht: Ex abundantia cordis os loquitur. Wenn ich den Eseln sol folgen, die werden mir die buchstaben furlegen, und also dolmetzschen: Auß dem uberflus des hertzen redet der mund. Sage mir, Ist das deutsch geredt? Welcher deutscher verstehet solchs? Was ist uberflus des hertzen fur ein ding? Das kan kein deutscher sagen, Er wolt denn sagen, es sey das einer allzu ein gros hertz habe oder zu vil hertzes habe, wie wol das auch noch nicht recht ist: denn uberflus des hertzen ist kein deutsch, so wenig, als das deutsch ist, Uberflus des hauses, uberflus des kacheloffens, uberflus der banck, sondern also redet die mutter ym haus und der gemeine man: Wes das hertz vol ist, des gehet der mund uber, das heist gut deutsch geredt, des ich mich geflissen, und leider nicht allwege erreicht noch troffen habe, Denn die lateinischen buchstaben hindern aus der massen, seer gut deutsch zu reden. |
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Wenn Christus etwa spricht: "Ex abundantia cordis os loquitur". Wenn ich den Eseln folgen soll, werden die mir den Wortlaut genau auslegen, und also übersetzen: Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund. Sage mir, ist das deutsch geredet? Welcher Deutsche versteht so etwas? Was ist "Überfluss des Herzens" für ein Ding? Das kann kein Deutscher sagen, es sei denn, dass einer ein zu grosses Herz oder zuviel Herz hätte, obwohl das auch noch nicht richtig wäre: Denn Überfluss des Herzens ist kein Deutsch, so wenig wie es Deutsch wäre, Überfluss des Hauses, Überfluss des Kachelofens, Überfluss der Bank; sondern so redet die Mutter im Haus und der normale Mensch: Wessen Herz voll ist, dem geht der Mund über, das heisst gut Deutsch reden, und daran habe ich mich zu halten versucht, auch wenn ich es leider nicht überall erreicht und nicht immer getroffen habe, denn die lateinische Sprache hindert einen dermassen daran, wirklich gutes Deutsch zu reden. |
NEUHOCHDEUTSCH
Titelseite
in "Der Stadt Dantzig Historische Beschreibung"
(1686)
Quelle: Faksimileausgabe von 1979
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DER
STADT |
Text
aus einem Schul- und Familienbuch
Quelle: Karl Ehregott
Mangelsdorff, Originalausgabe von 1798, Seite 278
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Die
alten Preussen |
Zitat
aus einem Nachschlagewerk über die Schweden
Quelle: Meyers
Konversations-Lexikon von 1888/1889, Schweden (Bewohner, Religion,
Unterrichtswesen, Ackerbau).
/.../ Der Schwede hat in der Regel eine hohe, schlanke Gestalt, eine weiße Haut, braunes oder blondes Haar, ausdrucksvolle Gesichtszüge und blaue Augen. Beide Geschlechter zeichnet eine gewisse Leichtigkeit und Grazie in der Bewegung des Körpers aus, und man pflegt die Schweden deshalb wohl die "Franzosen des Nordens" zu nennen. Die Grundzüge des schwedischen Charakters sind nordischer Ernst, Liebe zu Religion, Vaterland, Gesetz und Freiheit, Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit, Selbstgefühl, Gastfreundschaft, Mildthätigkeit, schnelle Fassungsgabe und scharfe Urteilskraft. Naturfehler sind Phlegma und Langsamkeit, Neigung zum Genuß geistiger Getränke und Hang zu äußerlichem Prunk. Manches Eigentümliche haben die Dalekarlier (s. Dalarne) bewahrt. /.../ |
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/.../ Außer den Schweden wohnen auch Finnen an der Grenze von Finnland in Norrbottenlän sowie in einigen innern waldigen Gebirgsgegenden des mittlern S. (1880 im ganzen 16.976). Die Lappen wohnen jetzt eigentlich nur in Lappland und vereinzelt in den übrigen Teilen von Norrland (1880: 6404). Die Anzahl der in S. befindlichen Israeliten ist sehr gering (1880: 2993). Auch haben sich eingewanderte Fremde im Land niedergelassen, doch sie verschmelzen meist bald mit den Schweden. 1880 zählte man 18.587 Personen, die im Ausland geboren waren, vornehmlich Dänen, Norweger, Finnen und Deutsche. /.../ |
Zitat
aus einer modernen Novelle
Quelle: Hartmut Lange: "Das
Konzert", (Diogenes Verlag, 1988)
Wer
unter den Toten Berlins Rang und Namen hatte, wer überdrüssig
war, sich unter die Lebenden zu mischen, wer die Erinnerungen an
jene Jahre, in denen er sich in der Zeit befand, besonders
hochhielt, der bemühte sich früher oder später darum, in den
Salon der Frau Altenschul geladen zu werden, und da man wußte,
wie sehr die elegante, zierliche, den Dingen des schönen Scheins
zugetane Jüdin dem berühmten Max Liebermann verbunden war,
schrieb man an die Adresse jener Villa am Wannsee, in der man die
Anwesenheit des Malers vermutete. |
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AMISH ALEMANNISCH
Aus
einer Predigt (intonieren)
Quelle: J A Hostetler,"Amish
Society" (1981)
Mer misse glave an sell was unser Harr und unser Heiland Jesu Christi uns gsagt hot. Ja, sell hot er gsagt. Ja, ich glab, sell is recht. |
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Wir müssen glauben an das, was unser Herr und Heiland Jesu Christi uns gesagt hat. Ja, das hat er gesagt. Ja, ich glaube, das ist recht. |
AMISH HOCHDEUTSCH
Lobgesang
('S Lobg'sang)
Quelle: J A Hostetler,"Amish Society"
(1981)
O
Gott Vater wir loben Dich |
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(Eine Übersetzung ins Neuhochdeutsche ist nicht erforderlich) |
BALTENDEUTSCH
BALTENNIEDERDEUTSCH
Akte
aus dem Jahr 1440
Quelle: Dr Ineta Polanska
Iwen van Eppenschede civis Tarbantensis, alse een vulmechtig procurator in der van Revele breve mechtig gemaket van Hinrike van der Heyde, to bemannede van Gherken Hobere sess unde vertich mark rygesch unde 2 schillinge, de Hinrik van der Heyde vor Gherken de sprake rusch unde eetensch to lerende utgegeven hadde, so hefft de sulve Iwen Epenschede vor deme boke bekannt, dat he de sess unde vertich mark rygesch unde 2 schillinge van Ghereken Hobere, Ghert Erpen, Hinrike van Vloten unde Alberte Medingen, dessulven Gheriken vormunderen, tor noge upgeboret unde entfangen hebbe, darumme Iwen Epenschede vor syk unde van wegen Hinrikes van der Heyden den vorscreven Ghereken, sine vormundere unde ere erven deshalven vorlatet van vurder manige unde tosaghe genzlyken qwyt unde loss. |
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Iwen von Eppenschede, der Bürger von Dorpat als ein durch den Brief aus Reval Bevollmächtigter von Hinrike van der Heyde, von Gherken Hobere sechsundvierzig Rigische Mark und 2 Schillinge anzumahnen, welche Hinrik van der Heyde für Gherken, [um] die Sprachen Russisch und Estnisch zu erlernen, ausgegeben hatte, so hat derselbe Iwen Epenschede [mit seiner Unterschrift?] kundgetan, dass er die sechsundvierzig Rigische Mark und 2 Schillinge von Ghereken Hobere, Ghert Erpen, Hinrike van Vloten und Alberte Medingen, den Vormündern desselben Gheriken eingenommen und empfangen habe, warum Iwen Epenschede für sich und des Hinrike van der Heydes halber den erwähnten Ghereken, seine Vormündern und ihre Erben deshalb von weiteren Forderungen befreit [entlastet?] und sozusagen gänzlich quitt und [voneinander] los [sind]. |
Buchtitel
aus dem Jahr 1578
Quelle: Königliche Bibliothek in Stockholm
Chronica der Prouintz Lyfflandt, darinne vormeldet werdt: wo datsuluige Landt ersten gefunden, vnde thom Christendome gebracht ys: wol de ersten Regenten des Landes gewesen sint: van dem ersten Meister Düdesches Ordens in Lyfflandt, beth vp den lesten, vnde van eines ydtlichen Daden: Wat sick in der voranderinge der Lyfflendeschen Stende, vnde na der tydt, beth in dat negeste 1577. Jar, vor seltzame vnde wünderlike Gescheffte in Lande thogedragen hebben, nütte vnde angeneme tho lesende, korth vnde loffwerlich beschreuen / dorch Balthasar Rüssouwen Reualiensem |
|
Chronik der Provinz Livland, worinnen vermeldet wird: wie dasselbige Land zu erst gefunden wurde und zum Christentum gebracht ist; wer die ersten Regenten des Landes gewesen sind; von dem ersten Meister des Deutschen Ordens in Livland bis zum letzten und von den (?) Taten des einen; was sich für Veränderungen der Livländischen Stände und nach der Zeit (chronologisch?) bis in das neueste Jahr 1577 für seltsame und wunderliche Dinge (Geschäfte) zugezogen haben, nützlich und angenehm zu lesen, kurz und lobenswert beschrieben / von Balthasar Rüssouwen Reualiensem |
BALTENHOCHDEUTSCH
Gerichtsakte
aus dem Jahr 1719
Quelle: Lutz v Rennenkampff: "Genealogie
derer von Rennenkampff" (2000)
Demnach
der Wohlgeb. Herr Frantz Rennenkampff im heutigen Dato, also d. 6.
July 1719 beym Groß-Czaar. Ober-Land-Gericht Dörptschen Creyses
repplicando vorgestellet, welchergestalt Er zwar anno 1714 bey
einer versamleten Ritterschaft auf Sadajerwe sein Adeliches
Diploma der Glorwürdigste Römische Kayser Rudolphus Anno 1602
seinen in Gott ruhenden Vor-Eltern verliehen, und Sie damit
begnadiget hat, produciret, und dessen Ahnen gezeiget, welches
alles auch von E. Hochwohl- und Wohlgeb. Ritterschaft vor
sufficient [ausreichend] und gültig erkannt, und von Niemanden
etwa dawieder eingewendet worden. |
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(Eine Übersetzung ins Neuhochdeutsche ist nicht erforderlich) |
BALTISCHES HALBDEUTSCH
Aus
"Poetische Kleinigkeiten" von Fritz Seuberlich
(1901)
Quelle: Dr Ineta Polanska
"Heißt
dein Vater?" - "Vater is nich" |
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(Kann
nicht übersetzt werden; muß laut gelesen
werden!) |
PLAUtdIETSCH
Kinderreim
Quelle:
C Henry Smith: "Early Russian Mennonite History" (1927)
Schokel,
schokel scheia, |
|
Schaukel,
Schaukel, scheia, |
DANZIGER MISSINGSCH
-
eine Auswahl von A bis Z
Quelle: Karl-Heinz Jessner
Adebar |
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Storch |
9. Quellenangaben
R Curicken: "Der Stadt Dantzig Historische Beschreibung..." (1686)
J A Hostetler: "Amish Society" (1981)
Hartmut Lange: "Das Konzert" (1988)
K E Mangelsdorff: "Vorbereitende Uebungen zum Aufmerken und Nachdenken für junge Leute von wenigstens zwölf Jahren" (1798)
Karl Pagel: "Die Hanse" (1983)
Dr I Polanska: lib.uni-bamberg.de/volltexte/2003/3/polanska.pdf
Lutz v Rennenkampff: "Genealogie derer von Rennenkampff" (2000)
Dr H Scheuringer: www.univie.ac.at/iggerm/Scheuringer1.pdf
C Henry Smith: "Early Russian Mennonite History" (1927)
J Weigle:www.g-gruppen.net/mennot.htm
Danziger Missingsch: home.t-online.de/home/Jessner.K-H/dzgwort.htm
Deutsches Rechtswörterbuch: www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/
Germanistik: de.wikipedia.org/wiki/Hauptseite
Königliche Bibliothek: www.kb.se/
Meyers Lexikon: susi.e-technik.uni-ulm.de:8080/meyers/servlet/browse
Nationalenzyklopädi: www.ne.se/jsp/customer/login.jsp
Nordisches Familienbuch: www.lysator.liu.se/runeberg/nf/
Silberbibel: www.ub.uu.se/arv/codex/faksimiledition/contents.html
Textproben: www.stefanjacob.de/Geschichte/Unterseiten/Sprache.php
Copyright © Jürgen Weigle.